"Ich versuchte immer, das Beste zu geben"
Peter Travaglini zum 80. Geburtstag

Weit über hundert Einzel- und Gruppenausstellungen in sechzig Jahren, unzählige gewonnene Wettbewerbe und Aufträge für Kunst am Bau, viele Objekte der angewandten Kunst - Peter Travaglinis Schaffen ist in der Region ohne Vergleich. kunsthistorischen Studien, mit Publikationen und einem Beitrag im Kulturplatz auf SFDRS ist der unermüdliche Schaffer gewürdigt worden. Das Kunsthaus Grenchen und die Galerie am Marktplatz Büren widmeten dem Bürener Maler und Bildhauer zum achtzigsten Geburtstag eine grosse Retrospektive.
Darüber ist man sich einig: Längst hätte er den Kunstpreis des Kantons Solothurn erhalten, wäre er da niedergelassen. Für die Solothurner, vor allem für die Grenchner, ist Peter Travaglini einer von ihnen. Man ist stolz, ihn als Grenchner Künstler bezeichnen zu dürfen. Dennoch entzieht er sich jeglicher Regionalisierung. Seine Kunstwerke sind über mehrere Schweizer Kantone verstreut. Weil Peter, oder Piero Travaglini, wie er seit der Mailänder Zeit genannt wird, stets unverblümt seine Meinung zu gesellschaftlichen und politischen Fragen äussert, weil er privat und beruflich unbestechlich ist und seine Arbeit ehrlich und pointiert, wirkt das Ansehen der kernigen Künstlerpersönlichkeit in jeder Hinsicht weit über die Region hinaus.

Travaglini realizzatore
Persönliche Erlebnisse erleichtern den Zugang zu Person und Werk. Von Peter Travaglini hörte die Schreibende als ungefähr Zwanzigjährige zum ersten Mal durch ihren älteren Bruder, welchem die Künstlertochter Pia von der Arbeit des Vaters vorgeschwärmt hatte, wie er leidenschaftlich und hoch konzentriert zeichne, drucke, Modelle herstelle. Sie habe beschrieben, wie es im Atelier in Büren riecht und wie die Metallteile der Plastiken klingen, wenn sie zusammengesetzt oder zerlegt werden. Schon damals war spürbar, dass hier ein Künstler am Werk war, der mit konsequenter Ausdauer und Akribie unbeirrbar eigenständige, künstlerische Lösungen sucht und findet. Bei zuviel Lob winkt Travaglini ab. «Ich habe einfach immer versucht, das Beste zu geben», sagt er bescheiden.
Als «Denker, Forscher und Macher» bezeichnet ihn der Vizedirektor der Schule für Gestaltung Bern und Biel, Alfred Maurer. Mit dem Künstler über seine Arbeit zu sprechen, ist denn auch besonders ergiebig; berührend, ihn bei der Arbeit zu erleben. Sein Ideenreichturn und seine entschlossene Art führen immer zu klaren Konzepten, die, gefolgt von einer definierten Vorgehensweise, rasch zu ersten Resultaten führen, sei es im Rahmen von Aufträgen der Bau- und Umweltgestaltung, in der Druckgrafik, in Gemälden, Plastiken und Objekten, in der Textilkunst oder in der Zeichnung.

Travaglini inventore
Nach einem langen Künstlerleben liegen die Karten offen auf dem Tisch. Was versucht, was gelungen, was missraten ist. Welche Ideen umgesetzt und welche in den Wind geschlagen wurden. Travaglini-Kunst, das sind all die Beispiele aus der ldeenschmiede eines Kunsterfinders, der entscheidend Neues, Eigenes kreiert hat. Die künstlerischen Themen und bildnerischen Mittel sind vielfältig: Die Affinität zur Direktheit, plakativen Wirkung und zur Form ohne Umschweife führt Travaglini früh zur Pop Art, die er aufgreift und in Skulpturen wie der riesigen Klospühlung sowie der Linoldruckserie «Pasta» vertieft. So entstehen viele grosszügig gestaltete Skulpturen, die im Gegenzug wiederum zu kleinen Objekten anregen. Die Skulpturen bereitet er zeichnerisch vor, entwickelt sie in kleinen Vierecken weiterbearbeitet oder thematisch nach. Klare Aussagen macht Travaglini auch in den Kirchenfenstern, Altären, Sgraffiti, Wandteppichen und Gemälden und Reliefs, beispielsweise in Ins, Büren, Selzach, Horgen und Urdorf.

Travaglini impressionante
Es sind Travaglinis Kunstwerke in der Öffentlichkeit, die für die Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden sind, nicht mehr wegzudenken die Grenchner Brunnen im Garten des Parktheaters, der «Regenbrunnen», aus dem Jahr 1986, jener beim reformierten Kirchgemeindehaus und der «Glockentierchenbrunnen», 1981 für die Kläranlage entstanden. Travaglinis Brunnengestaltung ist legendär, weitere Wasserspiele befinden sich unter anderem in Vira-Gambarogno, Aarau, Pieterlen, Windisch und Lengnau. Keinen unbeeindruckt lassen die Betonfiguren vor dem BBZ Grenchen, sind sie doch nicht zu übersehen. Auch Kreiselfiguren wie der «Frosch» auf dem Friedhofkreisel in Wengi und der «Treppensteiger» in Dulliken sind einprägsam, unvergessen die schwimmende Kette auf dem Bielersee während der Bieler Plastikausstellung 1965. Hunderte gehen täglich an der überdimensionalen Skulptur «Die zehn Gebote» am Kirchgemeindehaus am Stauffacher in Zürich vorbei oder in Olten an den gehenden und sitzenden «Etui-Menschen» in der Altstadt.

Travaglini diabolico
In dem interessanten, biographischen Essay «suchen - versuchen - - verwirklichen» hat Peter Keller Travaglinis umfangreiches Schaffen dokumentiert, in dessen Zentrum der Mensch steht. Beim Durchblättern fällt die eigenständige, ungewöhnliche, oft witzige Gestaltung ins Auge: Der grosse Tisch, genannt «Abendmahl» in der Psychiatrischen Klinik Münsingen gebietet, sich zu setzen, um erstmal zur Ruhe zu kommen. Listig gibt er den Insassen mit über die Mauer kletternden «Flüchtenden» in der Strafanstalt Witzwil zu verstehen, dass er weiss, wovon sie träumen. Und der Anblick des Tellenapfels vor der Schulanlage Rüttenen während einer Ausstellung, sowie des riesigen, mobilen Reissverschlusses, entlockt selbst dem Griesgram ein Schmunzeln. Wunderbar ist die Platzgestaltung in der Alterssiedlung Lyss, in der Travaglini ein ausladendes Blätter-Bodenrelief mit Granit und Beton gestaltete.
Die Gemeinde Grenchen darf vermutlich den jenseits der Aare wohnenden PeterTravaglini nicht mit dem verdienten Kunstpreis auszeichnen. Die Stadt, für die er sich während Jahren kulturpolitisch engagierte, ehrte ihn aber mit dem «Chappeli-Tüfel» 2001, als Dank für seine Originalität, Unbeirrbarkeit und frappante (Kunst-) Sicht der Welt.

Pia Zeugin
Museumspädagogin Kunsthistorikerin lic. phil. I